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Das lange Lied vom langen Sterben

Montag, 24. März 2014

Das lange Lied vom langen Sterben

Wer sterbet dem wirt auffgeladen / vil sündt schmertz quaal und schandt
Der krigt seyn dopelt maaß gemeßen / der ihm nit reicht di hant




Das lange Lied vom langen Sterben


Trommler trommelt
hör mich an
Schlagtot heiß ich
vieles weiß ich
nichts das dich retten kann
vor der Teufelsgeige der Satansfiedel
die geigt dir ein lustiges Sterbeliedel
kommt durch Haut und Knochen
ins Mark dir gekrochen
wenn du erwacht
heimlich bei Nacht
singt dir die Rattenfängerpfeife
niemand begreift den ich nicht ergreife
drum folgt mir ihr Pfaffen
ihr Gaffer und Laffen
spielet die Leier
das alte Lied
dreht auf der Feier
lustig euch mit
schon tanzen die Schellen
die gellen, die grellen
durch Därme und Hirn
hinter Brust und Stirn
Schlagetot Satan und Rattenfänger
die gnadlose Leier die Krähensänger
Friedhofsgaukler auf Grabsteinbühne
Saiten auf der Schmerzvioline
kommt ihr Leut und ratet
wer im Ofen bratet
wem der Bogen streichelt Sehnen und Knochen
kommt geschlichen kommt gekrochen
Trommler schlägt den Herztottakt
Gaukeley und Teufelspakt
aufs Rad geflochten die matten Leiber
dreht euch Kinder Männer Weiber
schwarzes Tuch und bunte Fetzen
Moritat euch zum Ergetzen
Sündenspiegel Bibelwort
immerfort immerfort
hier der Baum und dort die Grube
Jesuherz und Teufelsbube
spitzt die Ohren, lauscht und lernt
gleich ist beides euch entfernt
auf Kreuzwegmarkt und Marterfest
eingezäunt und festgesetzt
Trommler trommelt hör mich an
Schlagtot heiß ich
vieles weiß ich
nichts das dich retten kann
Bin der Doktor Eisenbarth
kurier die Leut nach meiner Art
Salbe Pulver und Phiol
Opium und Alkohol
Knochensäge, Messers Schneide
und die lange, bange Zange
dass ich euch zwicke und zwacke und fange!
Fetter Hirt und mag're Weide
Jammerschaf und Jammerwelt
weiches Fleisch und hartes Geld
Taler, Gulden und Dukaten
kommt ihr Leut und eilet
Spießgesell und Höllenbraten
bald seid ihr geheilet!
Fiedler auf der Kirchturmspitze
spielt das Lied vom langen Leid
singet Ton für Ton das Weh
weilig Weis euch in die Ohren -
wehet nicht schon Feuers Hitze
Sehet! auch auf euer Dach?
Heulet nicht im Wind der Zeit
euer eigen Klag' und Ach?
Wer ruft dem Schwartzen Kesperlin?
Ein jeder Name heißt mich!
Bin doch für euch der rechte Mann
denn manches sah ich, vieles weiß ich
das dich retten kann -
Lockt die Geige schweigt die Glocke
bläht der Wanst und fällt die Locke
greift den Hals die dürre Hand
kratzt's Gebet die wunde Kehle
tanzert's euch zum Kirchhof hin?
Dürres Bein und kurtze Seele -
gebt's dem Schwartzen Kesperlin!
Nahbei kommt des dunklen Ratten-
fängers nächt'ger Rattenzug
Rattenschatten Schattenratten
bunter Narr und Gaukelflug
zieht mit Nagen, Biss und Pest
durch dein Hirn am Kirchhofsfest -
vor dem Aug' für was es seh'
braucht's kein Kräutlein, keinen Tee
naht die Nacht mit Lug und Trug
kein Engel sich dem Sündennest -
Trommler trommelt hört die schrille
Pfeifenstimme in der Stille
dass sie eure Seelen quäle
Ton um Ton Sekunden zähle!
Ist der Festschmaus aufgetragen
sieben Gänge, sieben Plagen
lieblich steiget der Geruch!
Könnt ihr schon den Braten riechen?
Ist kein Eck' euch zu verkriechen!
Kurtzweyl auf der Grabsteinbühne
zwischen Bier- und Bratwurststand
künden Pauk' und Violine:
Die Tafel deckt das weiße Tuch!
Für die Siechen, Ausgesetzten!
Für die Krüppel und Gehetzten!
Seht das Spiel von den Gesunden
von den Fetten, von den Runden
schamlos Völlern, bußlos Sündern
von den Weybern von den Kindern
von den nimmersatten Ratten
kunstreych euch ins Bild gesetzet
dass es euch das Herz zerfetzet
von des Rattenfängers Hand.
Braten, Kraut und Erbsentopf
Klöß' und Sülz' und Schweinekopf
Süßspeys', Gerstensaft und Wein -
greift nur zu, geht's euch hinein!
Wo's nicht geht, könnt ihr nichts haben
müsst an Gedenk' und Bild euch laben.
Hält Geschleck, Geschlürf, Geschmatz
euch nicht seltsam fest am Platz?
Scheelsucht nagt, den Wanst zu füllen
Rachgrimm fragt, den Durst zu stillen
Krähensänger singen
ein moralisch Lied
von des Lebens Dingen
dass euch's Hirn verzieht:
Schmaust der Sohn ohn' Reue
frisst euch Grimm und Gier
frisst die Leber frisst die Treue -
Wölfe dort und Ratten hier -
quälet euch nicht länger!
Folgt dem Rattenfänger!
Folgt dem Schwartzen Kesperlin
folgt dem Krähensänger!
Folgt der Glocke folgt dem Pfaffen
folgt der alten Leier!
Sonne neigt und Tag sich wieder
dem Ende sich die Feier -
Gebet Ruh mit Greinen Gaffen
quälet uns nicht länger!
Knieet fromm im Beichtstuhl nieder!
Fallt auf alle Viere?
Hockt im eigen Schweiß und Koth
Trommler schlägt den Herztakt tot
Pfaff weist euch die Türe?
Schließt mit dem Gejammer!
Folgt dem Doktor Eisenbarth
in die stille Kammer!
Jedes ganz für sich allein
in sein finster Kämmerlein -
Her mit Wachsstock, Pfaff und Kirch
wollen für euch beten
dass den Kirchhof wollet nicht
lebend mehr betreten!
Lang genug habt ihr gestunken
eklig uns die Zeit vergellt
Dem Liebchen nicht und nicht dem Liebsten gefällt
wer den Darmsafft nicht hält.
Schlagtot giebt den Glocken-Ton
tief die Augen sinken
Satan fiedelt Spott und Hohn
tumb die Schellen plinken;
Kinder krächzen Krähenlieder -
hoff' wir seh'n uns nimmer wieder -
Rattenfänger pfeifet schon.
Zornig kreischt die alte Leier
Schleicht euch fort von Tisch und Freier
sammelt eure bunten Fetzen
Schmach Verzweiflung und Entsetzen -
Lang der Weg
der Weg so lang
von der letzten Feier -
Seht den Rattenfänger springen
rund um den gepfählten Zaun?
Woll'n ein Kirchenliedlein singen
und dem lieben Gott vertrau'n!
Freudlos, freundlos Einsamkeit!
Wer weist uns den Weg?
Weit der Weg
der Weg so weit -
sind die Köpfe auf dem Zaune
Rattenfängers Fang?
Wo der Narr, wo sind die Sänger, wo der Teufelsbube?
Wo der Doktor Eisenbarth in der dunklen Stube?
Wo die Leier, wo die Feier, wo das Festgeraune?
Fort sind Pfaff' und Glock' und Gott
nur der alte Schlagetot
schlägt die dumpfe Trommel -
schlägt und schlaget immer fort
einzig an dem Letzten Ort -
gantze Nacht, baldt in den Tag
schlaget uns der Pauke Schlag
haltet uns gefangen
wo all' Mensch' gegangen -
Saite würgt die Kehle
Pfeife drängt ins Ohr
Nagzahn reißt die Därme -
Und es kriecht das Kalte aus den Winkeln vor
und es dunsten Träume von dem Bett empor
und es geht die Wärme

Trommler trommelt
hör mich an
bis zum Morgenrot
weiß nichts das dich retten kann



ferne steht der Todt

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Zuletzt aktualisiert: 12. Nov, 19:16

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