Ahasver
Wer nicht zur rechten Stunde kommt
dem bleibt sie unerhört
und taub auf Vergangenes starrend
versinken ihm hundertjährige
Lebensblicke
in einem einzigen ungeleerten
Stundenglas – grundlos
und von Ewigkeit trunken
träumt es die Zeit
seines Abschiedsdurstes
bis er den Jakobsbecher füllt
mit seinem Blut
zur rechten Stunde
und Glas und Becher aneinander klingen
und Unerhörtes
seine Welt
zerstört -
Nenia
Himmel: graues Gesicht
Erde: felderweit
Seelenasche
Gekrümmte Baumknochen
wegentlang
reifen und greifen
zehren und nähren
Karges nur gab ihnen
Mutter Feuer: nach ihr
schlugen viel Hände
die wachsen und weiden
wegelang wälderweit
ist die Wüste getrieben
und es peinigt und steinigt
jede Hand die empordorrt
der Wind: Vater unser
Geisthauch über dem Wasser dem
dem Wasser dem
Wasser
Warnung vor Gomorrha
Geh nicht durch die Stadt
zur dreizehnten Stunde –
denn bleibst du auch stehen
verrät doch dich der Klang
der Totengesang:
die schreienden Tritte
der menschlichen Schritte
Verwesungsgestank
Flieh aus der Stadt
die niemals erschaffen
so niemals erloschen
mit steinernen Augen
dem Todesgestank
dem verfaulenden Fleische
dem verwesenden Geiste
hasserfüllt folgt
Verbirg dich der Stadt
deren Straßen sich engen:
aus den Häusern sie drängen
in versteinerten Händen
versteinernden Tod:
aus verfaultem Geiste
aus verwestem Fleische
neu dich zu schaffen
IHNEN ZUM BILDE
Spotlight
Die Nacht aus Steinen und Beton
baut harte Straßen blinde Häuser spielt
mit Neonlichtscheiben die zerschneiden
einsame Dunkelheiten jede
Straßenlaterne ein Spotlight Schlagschatten
vor dir hinter dir : du
entkommst uns nicht : schreit
blutrot eine Neonreklame
über die Ampeln brandet eine grüne Welle
im schwarzen Auto saust der Tod vorbei
menschenleer sind die Straßen wieder
überspannt von schwarzweißen schwebenden Brücken
die flimmern und stürzen von Zeit zu Zeit
und aus den Schaufenstern schauen dich an
die von weißen Balken in die Tiefe fielen
in einen Tag aus Glas und Licht : du
entkommst uns nicht : du
kühlst deine Stirn am Sicherheitsglas
atmest auf im Licht doch das
leuchtet aus vielen Augen hinter dir
liegt lauernd dein Schatten
und der blaue Gesang der Sirenen
nähert sich : du
entkommst uns nicht :
die Steine bauen Zirkelstraßen
die Häuser sehen dich nicht
es kreist das blaue, rote, grüne Licht
und das weiße Licht
wirft deinen Schatten
vor das schwarze Auto
des Todes.
Signatur
Kreide. Kohle. Kellerwände.
Kein Blut. Es bleibt nicht lange rot.
Im Schutt ein Ziegelstein.
Und Ton und Ockererde.
Kein Blau. Kein Grün.
Es ist so vieles tot.
Verstockt, verrußt, gerissen:
Blackground. Himmel.
Ein G, ein O, ein T, ein T
in Ocker. Eitergelb
die alte Wunde.
Und Ruß und Asche hingeworfen
für die Welt
ganz unten.
Die Kohlestücke geben Haut und Blatt und Fell
zurück in flüchtigen
schwarzen Strichen.
Kalkweiß der fette Kerzenstummel
mit ziegelroter, hungriger
Zunge.
Kein Licht. Es bleibt nicht lange hell. Nur
die Hände getaucht
in roten Ton
schlagen gegen die Wand
wieder und wieder:
Titel und
Signatur.
Babylon
Mit Wortsteinen
einen Turm gebaut
um das Schweigen Gottes
um die blinden Augen der Zeit
auf Satzleitern
emporgestiegen ins Lichtlose
im Dunkel tastend Wort auf Wort gesetzt
und augenlos und jedem Bild verborgen
und nur gehalten von Gedankenseilen
bewahrt von Ruf und Gegenruf
vor dem Sturz in die Tiefe
über dem letzten gemeinsam
gesprochenen Wort
der Ewigkeit
eine Fackel
entfacht –
nachtentgegen
gefallen
vergessen
verloren
jedes Wort
das sich
einem Wort
zuspricht
Maja
Tausend Fäden weit
spinnt das Leben sein Netz umgarnt
Sterne Irrlichter Tautropfen
gefangen scheinen sie
uns die Wege zu verweisen
und gleich gültig scheinen uns Wegverwaisten
die Pfade wie die Lichter:
Gelichter
im mittelosen Netz
des Seins. Es rettet uns
kein verloschenes Licht
kein verbotener Weg
kein falscher Schritt. Wir
rufen nach Ariadne berechnen
die Wahrheit beten
um Erleuchtung
und Liebe – sie
sind nicht gefangen im Netz
sind kein Funke im Licht und
nicht zu finden auf den Wegen
des Lebens – es sei denn
vielleicht
wir gingen jeden Weg
und prüften jedes Licht –
denn mit aller Welt ist die Hoffnung
dem Leben ins Netz gegangen
die uns zu jedem Weg verführt
und zu jedem Licht lockt
vor der es keine Rettung gibt
als den Sturz
aus dem Netz
RONDO
Die alten Geigen fiedeln neue Zeit
Und spielen auf zu ewiger Gegenwart:
Die Zukunftslieder sind Vergangenheit.
Kein Weg zurück. Ein Jemand schreit.
Die Kinder schlafen nicht.
Die Bösen tanzen
Und rund und rund. In seinen Läufen
Unaufgehalten treibt ein Feuersturm
Viel Menschen in den Tod und Rauch steigt auf
Zum schwarzen Himmel unter dem sich schneller dreht
Der Mörder altes Ringelspiel
Wohin denn ihr? Längst hat die Sonne
Euer Fleisch verbrannt und die Erde zu Staub.
Dort wächst kein Gras mehr, wo der Regen fällt.
Auf tote Meere sinken schwere Nebel.
Von nassen Buchen taumelt
Graues Laub
Und rund und rund in seinen Läufen.
Schon fast vergessen trieb ein Feuersturm
Viel Menschen in den Tod und Rauch stieg auf
Aus Schloten deren Hitze knisternd dreht
Der Asche dunkles Ringelspiel
Als irrte Mord im Kreis. Im Kreis
Von Tag und Nacht und leeren Asphaltstraßen.
Kadaver spült der Fluss ins Meer.
Kadaver trägt das Meer an Land.
Die Sieben Raben hacken müde in den Wunden
Der Leichen im schwarzen Sand
Und rund und rund in seinen Läufen
Unaufgehalten treibt das Feuerrad
Mehr Menschen zu dem Tod und Rauch steigt auf
Zum Gott für den sich diesmal dreht
Der bösen Führer Ringelspiel. Indessen können
Die Feueröfen jener Zeit
Besichtigt werden jederzeit
Solange noch Zeit ist.
DA CAPO AL FINE